Übersetzt und kommentiert von Antje Koller
Einleitung:
Es gibt Empfehlungen zum Spülen der Infusionsleitungen bei Verabreichung von Chemotherapeutika (CHTs). Die Spülung mit einer Infusionslösung wie Kochsalz 0.9% oder ähnliches soll nach der Chemotherapiegabe auf der einen Seite gewährleisten, dass die gesamte Dosis der CHTs verabreicht wird. Auf der anderen Seite soll es verhindern, dass Pflegefachpersonen beim "Abstöpseln" mit dem CHT in Kontakt kommen oder die Medikamente in die Umwelt gelangen. Vor allem die Tropfkammer, die sich zwischen dem Beutel mit dem CHT und dem Schlauchsystem befindet, aber auch das Volumen der Infusionsleitung müssen bei der Spülmenge bedacht werden. Ziel dieser Studie war es, gängige Spülpraktiken im stationären Setting sowie in Tageskliniken zu evaluieren und die Wirksamkeit des Spülens für drei CHTs zu untersuchen.
Methoden:
Die Studie wurde in Paris durchgeführt. In 5 stationären Abteilungen wurden 20 Infusionsleitungen und in 2 Tageskliniken wurden 20 Infusionsleitungen eingesammelt, die für die Routinegabe von Chemotherapeutika verwendet worden waren. Die Infusionsleitungen bestanden immer aus einer Hauptleitung, die mit dem IV-Zugang der Patientin oder des Patienten verbunden war. Eine oder mehrere weitere Leitungen, einschliesslich des CHT-Infusionssets, waren über Absperrhähne mit der Hauptleitung verbunden. In den Spitälern war ein Mindest-Spülvolumen von 50 ml vorgegeben. In den stationären Abteilungen wurden nach dem Spülen nur die Nebenlungen entfernt, während die Hauptleitung meist verblieb, da die Betroffenen weitere intravenöse Medikamente oder Flüssigkeit erhielten. In den Tageskliniken wurde am Ende der Behandlung die gesamte Infusionsleitung beim IV-Zugang entfernt. Es wurden drei CHTs mit unterschiedlichen physikalisch-chemischen Eigenschaften untersucht: Etoposid (ETO), Paclitaxel (PAC) und Cyclophosphamid (CPH). ETO wurde nur im stationären Setting verabreicht, PAC nur im ambulanten Bereich und CPH in beiden Bereichen. Für die Auswertung wurden nur die Leitungen untersucht, der CHT-Beutel wurde abgetrennt. Bei verbleibender Restmenge wurde der Spülbeutel gewogen, um das tatsächliche Spülvolumen zu schätzen. In den Infusionsleitungen wurden das Residualvolumen und die Konzentration des CHT mit Massenspektrometrie und Hochleistungsflüssigkeitschromatographie gemessen.
Ergebnisse:
Die 40 CHTs waren von 26 Pflegefachpersonen verabreicht worden. Die Messungen ergaben, dass 2 der 40 Leitungen (5%) offensichtlich nicht gespült worden waren. Diese 2 Infusionsleitungen wurden aus der Studie ausgeschlossen. Die stationären und ambulanten Bereiche unterschieden sich in den jeweiligen Spülpraktiken. In den Spitälern wurden immer (n=20) 100 ml Beutel zur Spülung verwendet. Das daraus resultierende Spülvolumen betrug ±88 ml. In den Tageskliniken wurden sowohl 50 ml (n=13; Spülvolumen ±35 ml) als auch 100 ml Beutel (n=5) verwendet. Die Spülvolumina und die verbleibenden CHT-Konzentrationen in den Leitungen unterschieden sich somit signifikant zwischen Spital und Tageskliniken.
Je mehr Spülflüssigkeit genommen wurde, desto geringer war die Restmenge des CHT-Wirkstoffs, aber alle Infusionsleitungen enthielten nach dem Spülen noch CHT. Die verbleibende Menge CHT in den Leitungen lag zwischen 0.002 und 2.7% der verschriebenen Dosis.
Schlussfolgerungen:
Die Empfehlungen, 100 ml zum Spülen von Infusionsleitungen nach der CHT-Gabe zu verwenden, wurden im stationären Bereich vollständig und in den Tageskliniken teilweise umgesetzt. Die Verwendung kleinerer Volumina in Tageskliniken hing wahrscheinlich mit der kürzeren Verweildauer der Patientinnen und Patienten zusammen. Alle Infusionsleitungen enthielten immer noch Rückstände von CHTs, auch wenn bei manchen das Spülvolumen sogar höher war als empfohlen. Dies zeigt, dass Personen, die die Infusionsleitungen, über die CHTs liefen, diskonnektierten in allen Fällen trotz der Spülung einem Risiko ausgesetzt waren. Man muss mindestens 100 ml Beutel verwenden, um ein Spülvolumen von mehr als 50 ml zu erreichen. Da die Tropfkammer einer der Gründe ist, dass die gängigen Spülungen nicht ausreichten, empfahlen die Autorinnen und Autoren, die Leitung vor Entfernung direkt am Zugang noch einmal zu spülen. Es ist auch wichtig, persönliche Schutzausrüstung zu verwenden und wenn möglich, geschlossene CHT-Sicherheitssysteme zu verwenden.
Kommentar der Autorin:
Die unmittelbare Sicherheit der Pflegefachpersonen steht an oberster Stelle. Aber auch die kumulierte Kontamination des Arbeitsumfeldes in den Spitälern und Tageskliniken, in denen CHT verabreicht werden, ist über die Zeit betrachtet wahrscheinlich hoch. Ein wichtiges Thema scheint zudem, dass die präzise errechnete Dosierung trotz Spülung nicht unbedingt bei den Betroffenen ankommt. Nach dieser Studie sollten die gängigen Spülpraktiken in Spitälern und vor allem in Tageskliniken überprüft werden. Dabei ist der Blick für die Details wichtig: Das langsame Verdünnen der CHTs "Tropfen für Tropfen" in der Tropfkammer ist natürlich weniger effizient, als wenn mit einer Spritze mit einem sicheren Luer-Lock Anschluss an einem Dreiwegehahn der Infusionsschlauch direkt mit etwas Druck gespült wird. Schneller gestellt werden darf allerdings nicht, solange sich noch konzentrierte CHT in der Leitung befindet. Wie sich Pflegefachpersonen an die Vorgaben zum Spülen der Infusionsleitungen halten können, sollte ebenfalls genau betrachtet werden. Eine Lösung das Problem zu beheben, wäre der konsequente Einsatz von CHT‑Sicherheitssystemen der neusten Generation mit sogenannten Closed System Transfer Divices (CSTDs).
Meiner Erfahrung nach sollten wir uns auf Basis der vorliegenden Studie unsere Spülpraxis genau ansehen und auf die problematischen Punkte schauen. Die Reste sind aus zwei Gründen problematisch: die Kontamination (der Fachpersonen und der Umgebung) sowie die verbleibende Restmenge, die nicht der Patientin oder dem Patienten zugutekommt. Auch wenn keine allgemeingültigen Aussagen für jeden Bereich gemacht werden können, liste ich im Folgenden einige der "Knackpunkte":
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